Typisch Griechisch


Kaffeestunde ist Geisterstunde.
Es werden sämtliche Lebensgeister mobilisiert!

[ Helga Schäferling ]

Das Wort Kafenio (καφενεíο)
hat seinen Ursprung in der Verbindung des arabischen "Qahveh" (Kaffee) mit dem persischen "Khaneh" (Haus), also "Qahveh-khaneh", Kaffee-Haus. Daraus wurde das türkische "Kahvehane" (Kaffeehaus) und im Weiteren das frühgriechische Kafenes (καφενές).

Aber auch andere Sprachen griffen auf das türkische "Kahvehane" zurück. Und so findet man das Wort leicht abgeändert im kroatischen "Kavana", im rumänischen "Cafenea", im albanischen "Kafaneja" und im mazedonischen "Kafeana". "Kafana" lautet das sinngemäße Wort in der bosnischen, montenegrinischen, serbischen und slowenischen Sprache.
Auch die Funktion des Kafenios als sozialer Treffpunkt für Männer, die hier nicht nur Kaffee sondern auch alkoholische Getränke konsumierten, wurde in diesen Ländern aus der Zeit während der osmanischen Herrschaft übernommen.


Giorgos Pittas (Γιώργος Πίττας, *1954 in Athen) Buchautor und Gründer der Webpräsenz "greekgastronomyguide" meint in seinem Buch "τα καφενεία":


Kafenia sind Orte der politischen Auseinandersetzung,
"kleine Parlamente des Landes".


In Kafenia
wird hauptsächlich griechischer Kaffee serviert. Allen voran der Ellinikos Kafes (ελληνικός καφές), der typisch griechische Kaffee, der auch in der Kurzform "Ellinikos" bestellt wird. Und natürlich der Café frappé (καφές φραπέ), kurz Frappé genannt, der überall in Griechenland verfügbare Instantkaffee, das erfrischende Sommergetränk mit Eiswürfel. Wie sie zubereitet werden, können sie weiter unten nachlesen.
Im Kafenio gibt es aber auch Bier (μπύρα), Retsina (ρετσίνα), Tsipouro (Τσίπουρο) und Ouzo (Ούζο), manchmal in Begleitung von kostenlosen Mezedes (μεζέδες) oder Snacks (σνακ).


Interessant ist, dass im Wörterbuch der neugriechischen Sprache in der Definition von Kafenio dezidiert auf alkoholfreie Getränke hingewiesen wird:


Kafenío: ... ein Ort zur Erholung und ein Treffpunkt, hauptsächlich für Männer,
wo Kaffee, alkoholfreie Getränke, Gebäck usw. serviert werden und wo die Möglichkeit für verschiedene Spiele besteht, hauptsächlich mit Karten und Tavli ...

... das trifft etwa auf George's Cafe (καφενές του Γιώργη) in Pitios nahe der Satdt Chios zu, wo es den Winter über nur Kaffee und alkoholfreie Getränke gibt.
Im traditionellen Kafenio "I Symi", nahe dem Fischmarkt der Stadt Rhodos, ist außer Meze auch ein 'Fisch des Tages' auf der Karte zu finden.
1885 gegründet, wurde später aus dem "Tsinari" in Thessaloniki eine Kombination aus Kafenio und Ouzeri. Seit Anfang der 1990 Jahre ist das Lokal eine weithin bekannte Ouzo-Taverne und nicht nur vom Aussehen hier ein absolutes Original.
Das Kafenio "Melístakto", kurz vor dem Kloster Zoodochou Pigi (Ιερά Μονή Ζωοδόχου Πηγής) im Süden der Insel Poros, hat sich hingegen in einzigartiger Weise auf Mehlspeisen und Omlette spezialisiert.
Arkesini, nahe der Südküste auf Amorgos besitzt seit 1975 das kleine Kafenio "O Makis" des Makis Loudaros. Er ist bereits im Ruhestand, das Lokal derzeit vorübergehend geschlossen. Das Kafenio versorgte früher die nahe Umgebung auch mit Grundnahrungsmittel.
Giorgos Pittas erzählt im "Greek Gastronomy Guide" die Geschichte von über 75 authentischen Kafenia auf Festland und Inseln in kurzweiliger Art, die Berichte sind noch dazu mit teilweise sehr alten Fotos wunderschön bebildert.


Kafenio
Eine Kombination aus Kafenio und (Grill-)Taverne,
gefunden im Bergdorf Pouri im Nordosten der Halbinsel Pilion.
Kafenio
In den Cafe-Bars der Städte,
den 'modernen' Nachfolgern des Kafenio, gibt es ausgezeichneten Cappuccino.

In ländlicher Gegend
ist das Kafenio nach wie vor ein Ort, wo man sich nach der Arbeit trifft, um sich zu unterhalten. Hier werden Neuigkeiten ausgetauscht und transportiert, man spielt Tavli oder Karten und pflegt seine sozialen Kontakte.
Manchmal, in entlegenen Gegenden der Inseln, übernimmt das Kafenio auch die Versorgung mit Grundnahrungsmittel, steht damit aber nicht in Konkurrenz zu Minimarkt oder Periptero. Für Durchreisende werden gelegentlich regionale Spezialitäten angeboten. Das Kafenio liegt meist an der Hauptstraße oder am zentralen Platz des Dorfes, dem "πλατεία", ist von der Ausstattung her einfach gehalten und in der Regel ein Familienbetrieb.

Vor nicht allzu langer Zeit
war das Kafenio nicht nur das Herz der männlichen Gesellschaft, sondern, mit Ausnahme von Reisenden, auch den Männern vorbehalten. Damals war es Standort des "Dorftelefons" - Dorfbewohner wurden verständigt wenn sie am Telefon verlangt wurden und ins Lokal beordert. Somit war das Kafenio in abgelegenen Gegenden auch ein wichtiges Verbindungsglied zur Außenwelt.
Derzeit sieht man tagsüber nicht nur ältere, sondern auch junge Männer vor den Kafenia im Schatten sitzen. Durch die Krise der vergangenen Jahre sind viele arbeits-, oft auch hoffnungslos geworden.

In Städten
steht der Begriff Kafenio eher für ein Kaffeehaus, eine "Kafeteria". Viele davon haben Bar-Charakter oder werden als Künstler- oder Literatencafes bezeichnet. Beispielsweise das 1940 eröffnete Athener Floka's, das die Dichter Odysseas Elytis und Nikos Gatsos zu Gast hatte und zuletzt durch ein modernes Einkaufszentrum ersetzt wurde. Oder das Establishment-Kaffeehaus Neon (Neon Byzantion) am Omonia-Platz. 1920 gegründet, mehrmals umgebaut und seit 2011 geschlossen.
Vor allem in den Städten tendiert die jüngere Bevölkerung zunehmend zu Cafe-Bars, den "Kafeterias".

In den griechischen Kafeterias
werden alle gängigen Heiß- und Kaltgetränke, auch alkoholische, serviert. Zudem bekommt man Snacks, kleine Speisen und Süßigkeiten. Sie werden oft mit großem handwerklichen Können und enormer Ideenvielfalt vor Ort frisch zubereitet. Auch hier steht die soziale Interaktion im Vordergrund, adaptiert für jüngere Leute. Mit moderner, aber auch traditioneller Live-Musik, mit WiFi-Hotspots und selbstverständlich ohne Geschlechtertrennung.
Die Konkurrenz in den Städten ist riesig, daher sind originelle Ideen und hohe Qualität der Produkte für die Betreiber existenziell.

Kleines Kafenio im Bergdorf Monodendri
Kleines Kafenio im Bergdorf Monodendri

Der griechische Kaffee, der "Grieche" - der Ellinikos (Ελληνικός)
wurde früher auch in Griechenland und Zypern als türkischer Kaffee, oder "Türke" bezeichnet. Als Reaktion auf die gewalttätigen Ausschreitungen gegen griechische Minderheiten in Istanbul (Konstantinopel), Ankara und Izmir (das Progrom von Istanbul - Septemberereignisse - Σεπτεμβριανά) im September 1955 und des eskalierenden Zypernkonfliktes bezeichnete das griechische Volk ihn fortan nicht mehr als türkischen, sondern nur noch als griechischen Kaffee.

Die Zubereitungsart ohne Filter stammt ursprünglich aus der arabischen Welt, entweder aus dem Jemen oder von den Beduinen des Nahen Ostens. Die Verwendung von Kaffee wurde im Osmanischen Reich während der Regierungszeit von Suleiman dem Prächtigen nach der Eroberung Ägyptens eingeführt und gelangte so auch nach Griechenland. Charakteristisch an dieser Methode ist, dass der Kaffeesatz in die Tasse miteingeschenkt wird.


Der Loumidis papagalos traditional
Der Loumidis papagalos traditional,
für authentischen Geschmack ist eine original griechische Kaffeemarke notwendig.

Die Zubereitung
erfolgt, für uns ungewohnt, durch Aufkochen von sehr feinem Kaffeepulver in einer speziellen Messing- oder Kupferkanne, die Briki genannt wird. Traditionell wird der "Ellinikos" über offener Flamme zubereitet.
Das griechische Kaffeepulver enthält keine zusätzlichen Gewürze wie beispielsweise Kardamom. Griechen würzen ihren Kaffee so gut wie nie. Selten gibt man, beispielsweise im Norden Griechenlands, einen Schuss Ouzo oder etwas Mastix-Likör hinein. Der typische Geschmack, wie sie ihn von ihrem Griechenlandurlaub vielleicht noch in Erinnerung haben, entsteht nur bei Verwendung der original griechischen Kaffeemarken, wie 'Loumidis Papagalos' oder 'Bravo'. Sie haben eine besondere Röstung, werden sehr fein gemahlenen und sind auch bei uns über den Versandhandel leicht erhältlich.

Im Lokal wird der gewünschte Süßegrad bei der Bestellung mit angegeben, die Varianten sehen sie in dieser Tabelle.

Kaffevarianten
Kaffevarianten
Die Varianten des "Griechen",
Angaben in Löffel

Die Zubereitung des perfekten griechischen Kaffees:

Füllen sie in ein sauberes und trockenes Briki vorzugsweise lauwarmen Wasser in der genau benötigte Menge.

Geben sie Kaffeepulver und Zucker wie gewünscht (siehe Tabelle) in das Wasser.

Das Briki vollflächig (für eine gleichmäßige Erhitzung) auf die Feuerstelle/Herdplatte stellen und langsam umrühren bis sich Kaffee und Zucker gelöst haben. Nach vollständiger Auflösung nicht mehr weiterrühren!

Wenn der Schaum aufzusteigen beginnt, das Briki vom Herd nehmen und 2-3 Mal leicht auf der Theke aufklopfen. Dadurch fällt der Schaum in sich zusammen.

Das Briki gleich wieder auf den Herd stellen. Sobald der Kaffeeschaum nun ein zweites Mal aufzusteigen beginnt, vom Herd nehmen, einige Sekunden warten und langsam in die klassischen Tassen füllen.

Der 'Ellinikos' - kleine Tasse, aber ganz groß im Geschmack!
Der "Ellinikos" - kleine Tasse, ganz groß im Geschmack.

Koffein
Es kommt in der Natur im Laub vieler Pflanzen vor und schützt die Blätter vor pathogenen Mikroorganismen. Es hat eine milde stimulierende Wirkung auf den Körper. Die Art und Weise, wie wir griechischen Kaffee zubereiten, gewährleistet den niedrigsten Koffeingehalt im Vergleich zu anderen Zubereitungsarten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei der Zubereitung von griechischem Kaffee der größte Teil des Koffeins im Bodensatz verbleibt.

Griechischer Kaffee enthält 40 mg Koffein pro Tasse (5 g Kaffee). Laut globalen Gesundheitsorganisationen sollte die Tagesmenge an Koffein, die ein gesunder Erwachsener täglich konsumiert 300 bis 400 mg nicht überschreiten. Ausgenommen sind schwangere und stillende Frauen, hier beträgt die maximale Gesamtkoffeinaufnahme 200 mg pro Tag. Andere Koffeinquellen wie Tee, Schokolade, alkoholfreie Getränke und Energiegetränke sollten jedoch in dieser Menge enthalten sein.
Infos zu Koffein, so zu finden auf: https://www.loumidis.gr

Die moderne Variante im thessalischen Bergdorf Milies
Die moderne Variante im thessalischen Bergdorf Milies

Der Café frappé
Der Kafes Frape (καφές φραπέ) ist ein Kaltgetränk aus Instantkaffee und Eiswürfel. Er wird gemixt.
Der große Unterschied zu unserem Eiskaffe liegt im Eis. Bei uns wird Vanilleeis verwendet, in Griechenland sind es normalerweise Eiswürfel. Die Variante mit Vanilleeis gibt es aber auch in Griechenland: der Café frappé pagoto, kurz Frappé Pagoto.


Café frappé
Café frappé,
das Geheimnis liegt in der Kaffeepulver-Herstellung und in der Physik.

Wie beim Ellinikos wird eine "Zuckerangabe" gemacht. Glykos für süß, metrios für halbsüß oder sketos, wenn man den Frappé ohne Zucker möchte.
Eine weitere Variante wird von Griechen "Frapogalo" genannt. Man bekommt einen Frappé mit Kondensmilch, sie wird erst nach dem Aufschäumen dazu gegeben.
Ein Frappé mit einem Schuss Baileys ist keine Rarität, und wenn schon denn schon - probieren sie die Variante mit Kahlúa, dem legendären mexikanischen Likör aus Kaffee, Zuckerrohr und Vanille.

Die Zubereitung
kann auf zwei Arten erfolgen. Entweder wird der Frappé im Shaker schaumig geschüttelt oder, und das ist der Normalfall, im elektrischen Frappeschäumer aufgeschäumt. Für ein optimales Ergebnis gibt es ein speziell für Frappé hergestelltes Instantkaffeepulver. Das Geheimnis liegt in der Kaffeepulver-Herstellung und in der Physik. So hat gefrier-getrockneter Kaffee mehr Ölgehalt als ein sprühgetrocknetes Kaffeepulver und, jetzt kommt die Physik ins Spiel, je weniger Öl vorhanden ist, desto dichter wird der Schaum.

Wer hat's erfunden?
Es gibt da eine Geschichte vom Herrn Dimitrios Vakondios, der im Jahre 1957 Mitarbeiter des griechischen Nestle-Vertriebs war. Wieso er während der Internationalen Messe in Thessaloniki auf die Idee kam, den Instant-Nescafe im Nesquik-Shaker so lange zu schütteln, bis er sich schließlich umziehen gehen musste, ist nicht bekannt. Möglicherweise wollte er nur schnell eine kalte Erfrischung oder er hatte einfach kein Heißwasser zur Verfügung. So kann man es zumindest bei Daniel Young, einem angesehenen Lebensmitteljournalisten, der auch Autor des Buches "Coffee Love" ist, nachlesen. Das "wieso" ist aber gar nicht so wichtig, viel mehr zählt das Ergebnis und damit meine ich nicht den angekleckerten Anzug des Herrn Dimitrios Vakondios.


Dimitrios Vakondios, der Frappe-Erfinder sagte später in einem Interview:


"Mein Anzug wurde schmutzig, aber so wurde der Frappe geboren!
Von Anfang an sahen die Leute ihn als Erfrischungsgetränk.
Sie sagten: Bier ist ein halbes Glas Schaum und kostet 8 Drachmen.
Dieser Kaffee ist auch ein halber Becher Schaum, kostet aber nur 7 Drachmen "...


Aus dem Shaker kam der erste Frappe mit einer Schaumhaube. Sie gilt als Markenzeichen des griechischen Kultgetränkes. Wie schon oben erwähnt, soll wenig Öl im Instantpulver vorhanden sein, statt dessen aber viele Proteine. Letztere, so ließ ich mir erklären, werden auf Oberflächen aktiv. Das heißt, sie bilden eine dünne Membran und schließen zugleich Luft ein. Der Schaum erhält dadurch ein enormes Stehvermögen und läßt sich noch dazu schwer versenken.
Das Getränk war kreiert, aber noch namenlos. Jedenfalls war Herrn Vakondios' Kreation sehr schnell unter den Mitarbeitern der griechischen Nestle-Niederlassung beliebt.
Wo, wann und wie es dann zur Namensgebung kam, ist unklar. Aber schon bald danach rührte die schweizer Firma Nestle auf der 'Contemporary Home Exhibition' im Zappeion von Athen die Werbetrommel für den Frappe.


Ein in griechischer Sprache verfasstes Rezept wurde von Nestlé beworben:


2 Tassen Nestle-Kondensmilch, 1 Tasse Wasser, 2 Teelöffel Nescafe
und 1 Messlöffel Vanilleeis in einen Mixer geben.
Einige Sekunden mischen und servieren.


In Anlehnung an die französische Zubereitung war damals noch Eiscreme in der Rezeptur vorgesehen. Aber bald war es vorbei mit der Milch im griechischen Frappe. Die Rezeptur änderte sich auf eine milchlose Zubereitung - von den Griechen als „Frappe Horis Gala“, also Frappe ohne Milch bezeichnet. Dadurch vereinfachte sich auch die Zubereitung enorm.
"Alles was Sie tun müssen, ist Nescafe, Zucker und kaltes Wasser zu schlagen", versprachen Werbeanzeigen aus dem Jahre 1963 - a star was born.

Abschließend sei noch erwähnt:
Café frappé ist bei Touristen sehr beliebt. Für sie wird er auch mit verschiedenen typisch griechischen Aromen, wie z. B. Ouzo gemischt
Seit den 1990er Jahren wird er auch in Zypern konsumiert ...
Man verwendet einen Strohhalm zum Trinken ...
In Bulgarien wird oft Coca-Cola anstelle von Wasser verwendet ...
In Serbien wird immer Speiseeis hinzugefügt ...
Der Schaum ist umso haltbarer, je konzentrierter die Kaffeelösung ist. Das ideale Verhältnis für einen dicken, cremigen Frappenschaum ist 1 Teil Instantkaffee und 4 Teile Wasser.

LITERATUR und QUELLEN:
http://www.greek-language.gr/greekLang/modern_greek/tools/lexica/triantafyllides/search.html?lq=καφενείο&dq=
https://greece.greekreporter.com/2014/06/08/historic-cafes-in-athens-completely-gone/
https://el.wikipedia.org/wiki/Τούρκικος_καφές
https://de.wikipedia.org/wiki/Mokka_(Kaffee)
https://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom_von_Istanbul
https://www.loumidis.gr/vimata/; .../ellinikos/
George Mikes, Eureka!: rummaging in Greece, University of Wisconsin - Madison, Verlag: A. Deutsch, 1965
Robert Browning , Mittelalter und Neugriechisch (1983), S. 16. ISBN 0-521-29978-0
http://www.olivetomato.com/how-to-make-and-drink-greek-coffee/
https://el.wikipedia.org/wiki/Φραπέ
https://www.mixanitouxronou.gr/o-frapes-anakalifthike-tichea-to-1957-sti-thessaloniki-kata-ti-diarkia-tis-diethnous-ekthesis-apoteli-elliniki-patenta-ke-den-servirete-se-kanena-allo-meros-tou-kosmou-pio-itan-to-mistiko-tou-thril/
https://de.wikipedia.org/wiki/Kafenio, https://en.wikipedia.org/wiki/Kafenio
https://el.wikipedia.org/wiki/Καφετέρια, https://el.wikipedia.org/wiki/Καφενείο
Fotos: © 2020 Stephan & Freismuth

I drank so much Ouzo last night, I woke up with a greek accent.

[ Ouups ]

Ouzo ist ein traditionelles Produkt
und wahrscheinlich die bekannteste griechische Spirituose. Man kann ihn getrost als Nationalgetränk bezeichnen. Er ist nicht nur bei den Griechen sehr beliebt, sondern wird auch, besonders in den Sommermonaten, von deren Gästen auf verschiedenste Arten genossen. Mehr dazu weiter unten.

Die Bezeichnung Ouzo
ist seit 25. Oktober 2006 von der Europäischen Union als geschützte Ursprungsbezeichnung anerkannt und seit 2019 in der "eAmbrosia" Online-Datenbank der Europäischen Kommision gelistet. In ihr werden alle "traditionellen Spezialitäten" wie Weine, Spirituosen und Lebensmittel der gesamten EU und von Drittstaaten, dies sind derzeit die Schweiz und das Vereinigte Königreich, zentral gelistet.

In der "eAmbrosia" scheinen unter dem Begriff 'Ouzo' derzeit 6 Datensätze auf:
Ouzo / Ούζο - Griechenland & Zypern
Ούζο Μυτιλήνης/Ouzo aus Mitilene
Ούζο Πλωμαρίου/Ouzo aus Plomari
Ούζο Καλαμάτας/Ouzo aus Kalamata
Ούζο Θράκης/Ouzo aus Thrakien
Ούζο Μακεδονίας/Ouzo aus Mazedonien

Für jeden der Einträge kann ein pdf-Datenblatt (z.B. PGI-GR-01840 für Ούζο Καλαμάτας / Ouzo of Kalamata) heruntergeladen werden.
Darin findet man nicht nur physikalisch-chemische Parameter, sondern auch die Organoleptik des Produktes wie Farbe, Geruch, Geschmack und Trübung. Auch die geografische Lage, die Produktionsstufen und das Herstellungsverfahren, zu verwendende Gerätschaften, die maximale Produktionsmenge pro Stunde, die weitere Aufbewahrung und Mischung, Details zu Abfüllung, Beschriftung und geografische Angaben auf dem Etikett, eine Chargenaufzeichnung zur Rückverfolgung und sogar die Luftfeuchte und Temperatur bei der Lagerung sind im Datenblatt niedergeschrieben. Ein geschichtlicher Bezug zur speziellen Herstellung in der Region sind als Grundlage für eine geschützte geografische Angabe notwendig und auch nachzulesen.
Ouzo wird durch die 'geschützte Ursprungsbezeichnung' und weitere 'geschützte geografische Angaben' zu einem exklusiven griechischen bzw. zypriotischen Produkt. Es gibt über 300 Ouzo Produzenten in Griechenland, deren Produkte recht unterschiedlich sind. 17 Brennereien befinden sich allein auf der Insel Lesbos und, man glaubt es kaum, sie decken etwa 50% der griechischen Gesamtproduktion ab.

Geschützte Ursprungsbezeichnung
Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)
Προστατευόμενη oνομασία Προέλευσης (ΠΟΠ)
geschützte geografische Angabe
Die geschützte geografische Angabe
Προστατευοµενη Γεωγραϕικη Ενδειξη (ΠΓΕ).

Die Herstellung, Abfüllung und Beschriftungen werden aber auch mit nationaler Gesetzgebung geregelt, dazu können sie weiter unten noch mehr nachlesen.

Ähnliche Spirituosen gibt es auch in anderen Ländern.
Zum Beispiel den französischen Pastis, der um 1915 in der Provence als Absinth-Ersatz zuerst heimlich und ab 1922 legal gebrannt wurde. Er ist hauptsächlich in Südfrankreich verbreitet.

Der italienische Digestif Sambuca ist auch ein Vertreter der Anisspirituosen. Sein Name soll sich von Sarazenenschiffen ableiten, welche die Gewürze des Orients brachten. Er ist mit vorgeschriebenen 350g Zucker pro Liter sehr süß und wird oft mit Kaffeebohnen serviert, die beim Trinken als geschmacklicher Kontrast zerkaut werden.

Der bulgarische Mastika duftet intensiv nach Anis. Sternanis und Fenchelsamen erschaffen das feinsüße Aroma, der Alkoholgehalt darf laut Verordnung nicht unter 47%vol liegen. Bei uns ist Mastika weniger bekannt, aber über einen deutschen Vertrieb leicht zu beziehen.

Anisgetränke wurden seit jeher im gesamten Mittelmeerraum gebrannt.
Berhaus, Ausschnitt aus 'Atlas der Hydrographie', 1886, Public Domain

Der türkische Raki wird aus Trauben gebrannt und mit Anissamen aromatisiert. Nach Aufhebung des staatlichen Monopols haben sich viele Marken etabliert. Der Name soll sich vom arabischen "araq" (Schweiß) ableiten.

Der arabische Arak ist ebenfalls ein Anisdestillat und wird oft mit dem Arrak, dem süßen, asiatischen Reisbranntwein verwechselt. Hergestellt wird der Arak in Syrien, Libanon, Israel, den palästinensischen Autonomiegebieten, Irak und Jordanien. Ursprünglich wurde er aus Datteln und Feigen hergestellt, erst später wurden Trauben über Wochen fermentiert und anschließend mehrfach gebrannt. Mittlerweile wird er auch zunehmend in Cocktails verwendet.

Anisgetränke wurden seit jeher im gesamten Mittelmeerraum gebrannt. Es gibt Quellen, die von ersten Destillationen auf Kreta um etwa 500 vor Chr. berichten.

Für die Herkunft des Begriffes Ouzo gibt es verschiedene Theorien oder Erklärungen:
Eine Möglichkeit wäre die Abstammung vom altgriechischen Verb „ozo“, was etwa mit „ich rieche“ übersetzt werden kann.
Mönche vom Berg Athos sollen bereits im 14. Jahrhundert Tsipouro gebrannt und diesen mit Anis gewürzt haben. Sie nannten dieses Getränk schließlich Ouzo.
Eine Ableitung vom griechischen Ausdruck „ou zo“ mit der fraglichen Bedeutung „ich lebe nicht ohne ouzo“ gilt als wenig wahrscheinliche Theorie.
Eine nüchterne wissenschaftliche, bei Griechen wahrscheinlich nicht so gerne gehörte Erklärung wäre, dass das Wort Ouzo vom türkischen „üzüm“, der Bezeichnung für einen Bund Trauben oder Traubensud, abstamme. So steht es auch in den meisten griechischen Wörterbüchern.

Für die fünfte und letzte Erklärung machen wir einen Rückblick in die Zeit um 1880, als die Türken in Thessalien herrschten. Damals wurden im thessalischen Tyrnavos Seidenraupen gezüchtet. Die qualitativ besten Kokons wurden in Kisten verpackt und in die 80 Kilometer entfernte Hafenstadt Volos transportiert. Hier erhielten sie in italienischer Sprache die Aufschrift „Uso di Massalia“, was in etwa „zur Verwendung in Marseille“ bedeutete. Anschließend wurden die Kisten nach Frankreich verschifft. Dieses „Uso di Massalia“ stand somit bald als Metapher für „exquisite Qualität“. Sie werden sich jetzt die Frage stellen, wie es dadurch zur Bezeichnung Ouzo kommen konnte.


Um 600 v. Chr. gründeten Griechen an der Küste Südfrankreichs die Siedlung Massalia (Μασσαλία), das heutige Marseille. Hier blühte ein Handel mit Zinn, Töpferwaren und Schmuck - viele Jahre später wurden die thessalischen Seidenraupen-Kokons nach Massalia verschifft.
Plan de Marseille en 1575, Braun and Hogenberg, [Public Domain]

Ein armenischer Konsulatsarzt namens Anastas (Anastasios) Bey, er diente in der türkischen Armee als Militärarzt, schloss damals eine großartige Freundschaft mit zwei angesehenen Bürgern der Stadt Tyrnavos. Es handelte sich dabei um den Tuchhändler Antonios Makris und den Lebensmittelhändler Dimitrios Doumenikiotis, welcher auch eine Brennerei besaß. Wie es unter guten Freunden üblich ist, saßen sie zusammen, unterhielten sich und aßen mittags und abends kleine Speisen, sogenannte Mezedes (μεζέδες), die es auch schon zu Zeiten der osmanischen Besatzung gab. Dazu wurde „gekochter Raki“ getrunken.
Hergestellt wurde dieser gekochte Raki aus der „Tsipoura“, dem Trester der Trauben. Nach dem ersten Brennvorgang roch das Destillat, welches auch Suma (σούμα ) oder Hamiko (χάμικο) genannt wurde, schrecklich und war sogar mit Wasser verdünnt kaum trinkbar. Daher wurde es nochmals unter Zugabe von Anis, Salz, Zwiebel und Holzkohle gebrannt. So entstand der wesentlich bessere und angenehm trinkbare Raki oder Tsipouro.
Anastas Bey, der dieses Getränk besonders geliebt zu haben schien, besuchte seine Freunde in der Brennerei von Dimitris Doumenikiotis. Sie berieten sich vor Ort, welche weiteren Substanzen hinzugefügt werden könnten, um den „gekochten Raki“ in seiner Qualität zu verbessern.
Und tatsächlich, nach Vermischung mit Mastix und Zucker und einem abschließenden dritten Brennvorgang probierten die drei Freunde die Spirituose und sie waren begeistert (dieses Destillat wurde damals „Raki Matavrasmeno“ genannt und entsprach in etwa dem heutigen Ouzo). Antonios Makris war überglücklich und rief, so die Erzählung:

"He du, was ist das? Das ist Ouzo Marseille!"
„Μωρέ τι είναι αυτό; Αυτό είναι ούζο Μασσαλίας!“

Er spielte damit auf die damalige Metapher für „exquisite Qualität“, also auf die mit „Uso di Massalia“ beschrifteten Seidenkokon-Kisten an. Ohne es zu wissen, wurde er dadurch zum Schöpfer des Wortes „Ouzo“.

In einer sehr ähnlichen Version dieser Geschichte wird dieser Ausruf dem in der Region herrschenden Pascha zugeschrieben. Dass der Ouzo ein Qualitäts-Upgrade des damaligen Raki war, steht aber außer Frage.
Geschichtlich gesehen erfolgte die Ausbreitung der Brennereien in der Zeit der osmanischen Besatzung. Damalige Zentren waren die Städte Izmir, Konstantinopel, Alexandria, Tyrnavos, Plomari und die Insel Kreta. Immer wieder trifft man auf die Aussage, dass der Berg Athos der Ausgangspunkt gewesen sein soll.

Ouzo Vielfalt mit Blick auf die Mole von Koroni
Ouzo Vielfalt mit Blick auf die Mole von Koroni

Achilles Tzartzanos (Αχιλλέας_Τζάρτζανος, *1873 in Tyrnavos, +1946 in Athen) war ein bedeutender griechischer Philologe, Pädagoge und Linguist und schrieb (hier sinngemäß übersetzt) über die Geburt des Wortes „Ouzo“:

"Natürlich trinkt heute jeder, arm und reich, bescheiden und aristokratisch, seinen kleinen Ouzo, und Ouzo ist heute ein Lieblingsgetränk für Damen und Herren, junge Männer und Frauen und wird nicht nur in beliebten Spirituosengeschäften oder in armen Häusern serviert, sondern auch in den Wohnzimmern des Geldadels und in aristokratischen Zentren.
Ich bezweifle jedoch, dass es außerhalb des thessalischen Tyrnavos, der Heimat des Ouzo und seines Namens, jemanden gibt, der weiß, woher sein jetzt bei so vielen beliebtes Getränk und dessen Name kommt. Oder - das Wichtigste - wenn es jemanden gäbe, würde dieser niemals erraten, wie der Name Ouzo zu seiner Bedeutung kam."

Ouzo Chatsopoulos aus Alexandroupoli
Ouzo Tirnavou, das Original der Familie Katsaros
The Official Ouzo of P.A.O.K. F.C.
Ouzo Apalarina von der Insel Chios

Wie wird Ouzo hergestellt?
Zahlreiche historische Zeugnisse belegen, dass Ouzo auf unterschiedliche Weise hergestellt wurde. Mittlerweile ist die Zubereitungsmethodik aber gesetzlich geregelt und in einem technischen Datenblatt, dem „Τεχνικός φάκελος για γεωγραφική ενδειξη «ουζο»” qualitätssichernd niedergeschrieben.

Grob umrissen geschieht folgendes:
In Kupferkesseln gewonnenem 96 %igen Alkohol werden Anis und andere Aromen beigemengt und gelöst. Es handelt sich hierbei meist um streng gehütete Firmen- und Familienrezepturen.
So entsteht eine aromatisierte alkoholische Lösung, die Ouzo-Hefe genannt wird. Der Begriff "Hefe" wird von den Griechen metaphorisch verwendet. Ouzo-Hefe soll den Ausgangspunkt für die Ouzo-Produktion bezeichnen. Die Produktion selbst beinhaltet aber keine Fermentation.
Diese Ouzo-Hefe wird destilliert und ergibt ein aromatisches Destillat mit etwa 80% Alkoholgehalt.
Vor- und Nachlauf werden, wie generell beim Destillieren, wegen minderer Qualität und einer Gesundheitsgefährdung durch giftiges Methanol, Acetaldehyd und Ethylacetat entfernt.
Das gewonnene aromatische Destillat ("100% aus Destillation") wird jetzt mit Wasser auf den gewünschten Alkoholgehalt verdünnt und schon ist der qualitativ hochwertige Ouzo fertig.
Dieses Destillat darf aber auch gestreckt werden. Dies geschieht mit Ethylalkohol welcher mit Anethol (natürliches Anis-Aroma) versetzt ist. Mindestens 20 Prozent des Ursprungsdestillates müssen dabei im Endprodukt garantiert sein.
Regional wird, hauptsächlich in Südgriechenland, vor der Verdünnung auf den gewünschten Alkoholgehalt Zucker beigemengt.


Die Destillerie "Diamantis" in Chrisavgi-Paramithia nahe Igoumenitsa bezeichnet ihren milden, geschmacklich hervorragenden Ouzo zu Recht als 'Nektar der Götter'.
Der Diamantis aus Paramythia.
Guten Freunden gibt man einen Ouzo ...

Für alle Interessierten hier noch weitere Details:
Das charakteristische Aroma des Ouzo entsteht durch Beimengung von verschiedenen Kräutern und Gewürzen zum reinen Alkohol. Vorwiegend sind das Anis und Fenchel, aber auch Mastix (Harz der wilden Pistazie), Kardamom, Zimt, Muskat, Koriander, Sternanis, Nelken, griechische Trigonella und Angelikawurz (Angelica archangelica) kommen zur Anwendung.
So hat jeder Ouzo seine eigene, streng gehütete Rezeptur. Eine besondere Bedeutung hat, ähnlich wie bei Whisky, natürlich auch das verwendete Wasser und die Qualität der Zutaten. Tradition, Weitergabe des Wissens und das Können des Brennmeisters garantieren nicht nur hohe Qualität, sondern auch einen gleichbleibenden Geschmack. Wer der Meinung ist, dass Ouzo gleich Ouzo schmeckt liegt vollkommen falsch. Wir haben mittlerweile viele verschieden Sorten verkostet und sind immer wieder überrascht welche Unterschiede es gibt.
Die gesetzlichen Vorgaben besagen, dass mindestens 20% des Ursprungsdestillates enthalten sein muss. Je höher der Anteil, desto harmonischer wird der Charakter, umso weicher die Textur. Natürlich sind diese Produkte auch teurer. Die Destillation erfolgt traditionell in Kupferkesseln.
Dem technischen Blatt ist weiters zu entnehmen, dass der Alkoholgehalt zwischen 37,5 Vol% und 50 Vol% zu liegen hat, das Produkt farblos sein muss und höchstens 50 Gramm Zucker pro Liter beigefügt werden dürfen.
Bezeichnung, Herstellung und Vertrieb unterliegen natürlich auch der nationalen Gesetzgebung. So darf Ouzo nur in Flaschen (diese dürfen auch aus Metall sein) abgefüllt in den Handel kommen und dies muss in einer offiziellen Brennerei vonstatten gehen. Ouzo ist als Aperitif zu bezeichnen, darf nur in Griechenland und da auch nur in bestimmten Regionen produziert werden. Er wird übrigens weltweit in mehr als 40 Länder exportiert.
Es gibt auch eine Menge Vorgaben zur Art und Weise der Beschriftung und der Deklaration des Inhaltes. So muss in Zypern erzeugter Ouzo den Flaschenaufdruck "Cypriot Product" tragen. Für einige Regionen ist die Vervollständigung durch eine geografische Bezeichnung erlaubt, wie beispielsweise Mytilene, Plomari, Kalamata oder Mazedonien. Wie schon oben angeführt, darf die Abfüllung nicht im Ausland erfolgen, dies muss in Griechenland oder auf Zypern geschehen. Die Verwendung geografischer Angaben unterliegt jedenfalls den Bestimmungen des griechischen Wirtschaftsministeriums aus dem Jahre 2003. Die zuständige Behörde kontrolliert die Brennereien einmal jährlich.


Ouzo Karoni - 100%iges, hochqualitatives Destillat
Ouzo Idoniko - 100% Destillat aus Adriani, Drama
Sans Rival, der Ouzo "ohne Rivalen"
Ouzo Koronios, ein "Geradliniger" aus Kalamata.

Wann und wie wird Ouzo von den Griechen getrunken?
In Griechenland gibt es in vielen Städten und Dörfern Ouzeries. In diesen Café-ähnlichen Lokalen wird Ouzo zu Mezedes (μεζέδες) serviert. Das sind kleine Häppchen wie Tintenfisch, Salat, Sardinen, Oliven, gebratene Zucchini, Muscheln, Käse und ähnliches in verschiedensten Variationen zubereitet. Dazu wird Ouzo in schmalen hohen Gläsern nach Zugabe von Wasser und/oder Eis traditionell langsam genippt. Mezedes mit Ouzo wird unter Griechen immer über mehrere Stunden in Gesellschaft konsumiert.

Ouzo "Dry Hammer" ("ξεροσφύρι", xerosfýri - idiomatisch für "Alkohol trinken ohne etwas zu essen") zu trinken ist bei Griechen nicht üblich. Sie wissen, das der Zuckergehalt die Alkoholaufnahme in das Blut verzögert und die Wirkung später wie ein Hammerschlag einsetzt. Fette und Öle aus den kleinen Häppchen verlängern die Absorption von Ethanol zusätzlich.

Sonst wird Ouzo in Griechenland meist als Digestif serviert, wie bei uns ein Verdauungsschnaps, Absacker, Verdauerli oder Verrisserle. So wird er auch volksmedizinisch bei „Magenkrämpfen“ und Völlegefühl empfohlen, und das nicht nur in Griechenland.
Im Norden Griechenlands bekommt man auch schwarzen Kaffee mit einem Schuss Ouzo, sofern man das möchte.

Anders hingegen sind die Sitten außerhalb Griechenlands. Hier wird er gekühlt und mit Wasser verdünnt als Aperitif angeboten. Es kommt die „soziale“ Komponente zum Tragen, das Einstimmen auf das „vis-à-vis“ und auf das bevorstehende gemeinsame Mahl. Die Wartezeit bis zum Servieren der Speisen wird damit verkürzt und nicht zuletzt wird auch auf die appetitanregende Wirkung gesetzt.

Die milchige Trübung nach Zugabe von Wasser wird übrigens als Louching oder Louche-Effekt (das französische louche bedeutet undurchsichtig) bezeichnet. Er tritt auch bei anderen anishaltigen Spirituosen auf und je mehr Anis enthalten ist, desto trüber wird die Mischung sein.

Ouzo trinken, ein Ritual ...
Ouzo-Time ist nicht die Zeit des Dinierens. Ouzo verlangt nach Mezes, es braucht den Widerspruch von süß, salzig, sauer und bitter – stimulierend, nicht satt machend. Ergänzt durch guten Gesprächsstoff, angeregte Unterhaltung, Zeit für Freunde und dem Wunsch nach Gesellschaft.
Ouzo verlangt nach Gesellschaft, auch im Glas. So kann Eis dem Ouzo die richtige Temperatur geben. Wasser unterstützt die Freisetzung der Aromen und bringt die milchige Farbe, die von vielen Ouzo-Genießern geliebt wird. Jedenfalls kommt Wasser vor Eis ins Glas, damit sich die Temperatur nur allmählich senkt.
Und, Ouzo gehört NICHT in den Kühlschrank!

Ouzo wird auch gerne für Cocktails verwendet.
Da gibt es beispielsweise den, vom Schriftsteller Michael Paraskos kreierten, Ouzini. Er gilt als alternatives Nationalgetränk Zyperns, dass dem allgegenwärtigen Brandy Sour den Rang ablaufen soll. Ouzini soll wie „flüssige Anisbällchen“ (zypriotische Dessert) schmecken und spielt in Michael Paraskos Roman „Auf der Suche nach Sixpence“ (Kann Kunst den Schmerz des Lebens lindern?) eine wichtige Rolle.

Und hier die Rezeptur des Ouzini:
2,5 cl (ein Teil) Cyprus Ouzo
7,5 cl (drei Teile) frischer Orangensaft
2,5 cl (ein Teil) frischer Zitronensaft
2-4 Tropfen Bitter

Ouzo und frische Säfte kräftig schütteln, den Rand eines Glases mit Puderzucker bestreichen, das Getränk über Eis in das Glas gießen und einige Tropfen Bitter hinzufügen. Mit einer dünnen Orangenscheibe garnieren und servieren.


Auf unserer Rezepte-Seite finden sie noch weiter Ouzo-Cocktails. So auch den von uns kreierten

Ouzimba Ουζιμπα

Der "offizielle" SIMBA Cocktail.


Ouzo Dimino, ein sehr aromatisches 100%iges Destillat
Ouzo Veto aus der Brennerei Spentzas
Ouzo Vassilakis von der Insel Korfu
Ouzo Matarelli - 100% Destillat mit biologischem Anis

Für alle die vor Ort mehr erfahren wollen (diese Liste werden wir laufend erweitern) :
Auf der ostägäischen Insel Lesbos liegt das Städtchen Plomari. Dort befinden sich das Ouzo-Museum der Familie Barbayianni (Βαρβαγιάννη) und die Ouzo-Welt „The World of Ouzo“ der Plomari Ouzo Distillery Isidoros Arvanitis. Es werden Exponate der ersten Brennereien aus dem Jahr 1858, Werkzeuge, Behälter, Flaschen zur Aufbewahrung von Ouzo, Fotografien, Bücher und vieles mehr gezeigt.
In Nafplio auf der Peloponnes ist die Destillerie des Familienunternehmens Karonis seit 145 Jahren in Familienbesitz. Auf der dreisprachigen Website „karonis.gr“ finden sie Informationen zur Destillerie und zum angeschlossenen Museum. In der Altstadt gibt es einen informativen Verkaufsladen mit vielen Exponaten aus vergangenen Zeiten. Die Destillerie selbst liegt gut erreichbar am südöstlichen Rand der Stadt. Führungen durch die Brennerei können sogar 'Online' gebucht werden.


LITERATUR und QUELLEN:
EU-Spirituosenverordnung 110/2008 und EWG 1576/89 (Abs. 3 von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe i)
http://bliatkas.blogspot.com/2010/11/2010.html
https://www.alfavita.gr/kosmos/193055_pos-proekypse-i-onomasia-oyzo-i-istoria-me-ton-yfasmatemporo-apo-ton-tyrnabo
https://www.tirnavoswinery.gr/istoria/ouzo-istoria-mias-lexeos/
http://eimasteoloipoihtes.blogspot.com/2013/09/blog-post_14.html
https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/food-safety-and-quality/certification/quality-labels/geographical-indications-register/
https://de.wikipedia.org/wiki/Marseille#cite_note-3
www.gcsl.gr/media/alkooli/Tech_file_Ouzo.pdf
Gesetz 283 (K.D.P.283/2001, Amtsblatt der Republik Zypern Nr.3515,20.7.2001)
https://el.wikipedia.org/wiki/Ούζο
https://en.wikipedia.org/wiki/Ouzo
http://www.ouzoplomari.gr/en/Ritual
Fotos: © 2020 Stephan & Freismuth

Periptero, das Gehsteigkaufhaus

[ Auch die winzigen Wunder verdienen es, bewundert zu werden. ]
Lilli U. Kreßner

Man findet es fast überall, das griechische "Gehsteigkaufhaus", das Periptero (Περίπτερο). Unmittelbar an stark befahrenen Straßen, auf belebten Plätzen, an Strandpromenaden und in Häfen stehen die Periptera, manchmal auch an Orten wo man sie nicht erwarten würde.
Kleine Häuschen mit winzigen Fenstern und außen herum, in einer Art Wintergarten, stehen dicht an dicht Kühlgeräte und Regale. Wetterfeste Bedachung schützt vor Sonne und Regen. Vorhandene Strukturen wie Säulen und Laternen, ja sogar Baumteile werden gerne baulich integriert und sind zugleich Schattenspender oder Halterung für die Stromzuleitung. Das Umfeld wird gehegt und gepflegt, der Gehsteig gekehrt und für Abfall stehen Behälter bereit.


Die Vorgaben der Regierung bestimmen nicht nur die Größe, sondern auch was so alles über den Ladentisch, oder besser gesagt, durch die kleinen Fenster, wandern darf.
Ein Periptero am Rande des "Corfu Cricket Pitch", im Nordosten der Hauptstadt.

Im Periptero gibt es alles was man so täglich brauchen könnte, mit einer Einschränkung: es darf nicht groß sein. Lagerplatz für Ware ist rar. Nicht einmal 2 m² sind für Warenlager, Verkäufer und dessen Sitzgelegenheit gesetzlich erlaubt. Die Vorgaben der Regierung bestimmen nicht nur die Größe, sondern auch was so alles über den Ladentisch, oder besser gesagt, durch die kleinen Fenster, wandern darf.
Es gibt sehr wohl Renner, die das Hauptgeschäft ausmachen. Griechenland hat die meisten RaucherInnen in ganz Europa und so sind zweifellos Zigaretten, Tabakwaren und einschlägiges Zubehör die Umsatzmacher. Die Art der restlichen Waren variiert bedingt durch Standplatz und Kreativität des Besitzers. Drogerieartikel und Schreibwaren, Briefmarken, Klebstoff, Ersatzbatterien, Sicherheitsnadeln, alle Arten von Wertkarten, Lose und Parkscheine sind nur einige Beispiele. Wenn der Absatz gegeben ist enthält das Sortiment auch Sonnenbrillen, Badesachen und kleineres Spielzeug.
Das Angebot an Zeitungen und Zeitschriften korreliert mit dem Touristenaufkommen. Viele Urlauber wollen, während sie genüsslich frühstückend den Tag beginnen, in gewohnter Weise in der heimischen Zeitung schmökern - oder sich auch manchmal das Gegenüber aus dem Sichtfeld nehmen.
Kühl- und Gefriergeräte bevorraten eine große Auswahl an Getränken und Speiseeis. Geschickt angeordnete Regale, stirnseitig die ganze Kioskwand einnehmend und nur das Fensterchen freilassend, enthalten ein breites Sortiment an Knabberzeugs und Naschsachen. Wie bei unseren Supermarktkassen ist auch hier die Verlockung, nicht nur für Kinder, sehr groß.

Ein Periptero im Hafen von Agia Effimia auf Kefalonia
Ein Periptero im Hafen von Agia Effimia auf Kefalonia

Die Peripherie des Peripteros liegt unter schützenden „Flügeln“ und ist somit vor Sonne und Wetter geschützt. Für Kunden bietet sich ein trockenes oder beschattetes Plätzchen für den Einkauf oder das sehr beliebte kleine Schwätzchen an. Die wenigsten „News“ die hier kolportiert werden sind auf Papier gedruckt.


So kommt es schon mal vor, dass ein Auto mit laufendem Motor und offener Fahrertür längere Zeit straßenmittig vor dem Periptero steht, während zwischen Verkäufer und Fahrer eine lebhafte Unterhaltung läuft.
Gehupt wird in solchen Fällen nur von verständnislos schauenden Touristen; wäre doch für sie so ein Verhalten auf heimischen Straßen unvorstellbar.

Aber zurück zu den „Flügeln“. Peripteros (man beachte das S am Ende) ist die wahrscheinlich häufigste Tempel-Form der Antike, auch Peripteral-Tempel genannt. Der zentrale Hauptraum des Tempels, die Cella, wird außen von Säulen umringt, die das Dach tragen und die sogenannte Ringhalle, eine Art Veranda, bilden. Auf das "Gehsteigkaufhaus" umgemünzt ist der zentrale Hauptraum das Häuschen und die Ringhalle entspricht der überdachten Erweiterung mit Regalen und Kühlgeräten. Daher auch die griechische Bezeichnung „Periptero“ (hier aber ohne S am Ende), was übersetzt soviel wie „mit Flügel rundherum“ bedeutet. Der Begriff Einkaufstempel bekommt hier eine neue Dimension und Bedeutung.

Wenn also spätnachts der Einmalrasierer den Geist aufgibt, die Zigaretten aus sind oder sie einen Papadoupoulos-Keks naschen möchten - machen sie sich auf den Weg zum nächsten Periptero. Die Erfolgschancen stehen gut, viele haben bis weit nach Mitternacht geöffnet.


Säulen "umflügeln" den innenliegenden Hauptraum, ein Peripteral-Tempel

Zahlen, Daten und Fakten (Quellen siehe unten) :
Gesetzlich festgelegte Größe: 1,3 m × 1,5 m = 1,95 m².
Der Außenbereich darf die Umrisslinie um 1 m überragen = max. 11,55 m².
Zum Betreiben ist eine Lizenz erforderlich.
Es gibt 18.000 Lizenzen in Griechenland.
Landesweiter Jahresumsatz: 7 Milliarden Euro.
Anteil am Bruttosozialprodukt: 5%.
48% des Umsatzes entfallen auf Tabakwaren.

Verschieden Quellen berichten von einer Lizenzvergabe unter sozialpolitischen Aspekten. Die Zuständigkeit liegt beim Verteidigungsministerium, da unter den Bedürftigen, welche eine Lizenz erhalten, neben Behinderten und kinderreichen Familien auch Kriegsversehrte und Kriegsopfer sind. Ob und wieweit Beziehungen oder Schmiergeld eine Auswirkungen auf die Lizenzvergabe haben wird in Griechenland immer wieder diskutiert.


LITERATUR und QUELLEN:
disabled.gr – Periodikum für Invaliden (griechisch), (https://web.archive.org/web/20080201110316/http://www.disabled.gr/lib/?p=15238)
Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Periptero
Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Peripteros
Fotos: © 2019 Stephan & Freismuth

Monumentale Olivenbäume auf Kreta

[ Die Seele kennt kein Alter… ]
Elmar Kupke

Wie viele Olivenbäume es auf Kreta gibt, weiß wahrscheinlich niemand so genau. Bei Recherchen findet man Zahlen zwischen 16 und 40 Millionen, es heißt auch, dass ein Viertel der Inselfläche mit Olivenbäumen bepflanzt ist. Jedenfalls prägen sie die Insel und sind nach dem Tourismus die größte Einnahmequelle.
Der Olivenbaum und das Olivenöl sind eng mit der kretischen Mythologie, Geschichte und Tradition, sowie dem sozialen und wirtschaftlichen Leben des 9.000 Jahre alten Volkes der Kreter verbunden. Bereits in der Jungsteinzeit wurden zusammen mit anderen Früchten auch Oliven gesammelt und gegessen. Östlich vom Psiloritis-Massiv, im Amari-Becken, wurden bei Grabungen 3.500 Jahre alte Tafeloliven gefunden. Kreter waren die ersten, die Olivenbäume züchteten und ihr Wissen breitete sich später im ganzen Mittelmeerraum aus. Schon damals wurde ein Edelreis der Sorte Olea europea Mastoeidis auf einen Wurzelstock des wilden Olea europea Oleaster gepfropft.



Unter den Olivenbäumen Kretas gibt es einige, die als „monumental“ bezeichnet werden können. Der Verband der kretischen Olivengemeinden setzt sich für die „Methusalems“ unter den Olivenbäumen ein, deren Zahl stark abnimmt. Eiche, Palme und Platane sind per Gesetz geschützt, nicht aber die Olive. Der allgegenwärtige Baum benötigte bislang anscheinend keinen Schutz, wird aber seit längerer Zeit zunehmend abgeholzt. Rodungen für Feuerholz, öffentliche Projekte oder Landnutzung erfordern Maßnahmen für die Erhaltung der uralten Bäume, sonst werden sie bald verschwunden sein.

Der erste Schritt ist die Erfassung durch eine grobe Alterseinschätzung. Jeder Baum, dessen Stamm von drei Erwachsenen gemeinsam nicht mehr umfasst werden kann, gilt als alt und wird daher registriert. Da das Kernholz im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist, alte Bäume sind hohl, können Analysen der Jahresringe oder die Radiokarbonmethode nicht mehr zur Anwendung kommen. Bei alten Olivenbäumen wird daher die Umfangmessung zur Altersbestimmung verwendet, die ist jedoch ungenau. Bei dieser Methode wird eine jährliche radiale Wachstumsrate des Stammes von etwa 0,7 mm angenommen. Zusammen mit dem Durchmesser des Stammes in etwa 80 cm Höhe kann dann eine grobe Schätzung des Alters erfolgen.

"Monumentale" Olivenbäume bei Palea Roumata
"Monumentale" Olivenbäume bei Palea Roumata

Der registrierte Baum wird vom "Verband der kretischen Olivengemeinden" (SEDIK) begutachtet und unter Umständen aufgrund der Größe seines Stammes und seiner Höhle, aber auch der Verbindung zu historischen Ereignissen als „monumental“ eingestuft.

Hier die Geschichte des monumentalen Olivenbaumes von Palea Roumata in der Gemeinde Voukolies. Er wurde vom "Verband der kretischen Olivengemeinden" aufgrund der Größe von Stamm und Höhle als monumental eingestuft, aber auch seine Verbindung zu den historischen Ereignissen des Dorfes Palea Roumata war ausschlaggebend.
Der Baum befindet sich inmitten anderer sehr alter Olivenbäume am Rande einer Straße die zum Dorfplatz führt. Besitzer sind die Erben von Stylianos Papaderakis. Es ist ein Olea europea Mastoeidis, lokal auch als „Tsounati“ bezeichnet, auf Olea europea Oleaster gepfropft. Der größte Durchmesser ist 430 cm und der Umfang des Stammes in 80 cm Höhe beträgt 1050 cm. Eine grobe Schätzung lässt somit auf ein Alter von etwa 3.000 Jahre schließen. Er wurde somit um etwa 1100-800 v. Chr., in der sogenannten subminoischen Periode, gepflanzt.

Der große Hohlraum im Stamm des Baumes konnte während der Herrschaft der Osmanen 4-5 Personen fassen und wurde nach Aussagen Einheimischer als Versteck für Waffen genutzt. Während der deutschen Besetzung Kretas im Jahr 1941 nutze der „Dorfrat“ den Hohlraum als Treffpunkt für Beratungen über den Widerstand des Dorfes. Auch in dieser Zeit wurden hier Waffen gelagert.



Seit längerem wird das Areal um die Bäume liebevoll gepflegt. Es sind Informationstafeln in griechischer und englischer Sprache vorhanden und in der Mitte gibt es den "kleinen Tempel des heiligen Märtyrers".


LITERATUR und QUELLEN:
Informationstafeln bei Palea Roumata.
Fotos: © 2019 Stephan & Freismuth

Eine Beschreibung von 18 monumentalen Olivenbäumen auf Kreta finden sie hier (en, de, gr, ru).

Der verlorenen Schatz Kretas

[ Im Samenkorn ist die Frucht enthalten, im Gedanken die Tat. ]
Helga Schäferling

Es gibt eine uralte, fast vergessene Baumart auf Kreta. Sie trägt mehrere Namen, so auch "Saubohne von Pythagoras", "Feigenbaum aus Ägypten", "Bockshörndlbaum" oder "Ceratonia siliqua".
Der Johannisbrotbaum. Der Ursprung dieser Bezeichnung führt, so die Meinung vieler Gelehrter, auf zwei Legenden zurück. Zum einen sollen sich die Johanniter vor langer Zeit bei der Verbreitung der Pflanze engagiert haben, und die zweite Variante wäre, dass Johannes der Täufer bei seinem Aufenthalt in der Wüste sich unter anderem von Früchten des Johannisbrotbaumes ernährt haben soll.
Der Sirup aus den Früchten des Johannisbrotbaumes könnte auch der in der griechischen Mythologie erwähnte Nektar der Götter sein.

Ursprünglich stammt der Baum aus dem arabischen Raum, denn Schoten und Samen wurden auch in ägyptischen Gräbern gefunden. Die weitere Verbreitung fand nicht nur im Mittelmeerraum statt. Auch in Amerika und Australien wurde der Johannisbrotbaum kultiviert.


Karuben in Kreta
Lieblingsplatz der Ziegen. Hier gibt es Futter, Schatten und eine kühle Brise vom Meer.

In Kreta trifft man ihn häufig in unmittelbarer Küstennähe an, der hohe Salzgehalt der Luft spielt keine Rolle. Nur weiter oben in den Bergen ist er wegen der Frostempfindlichkeit nicht zu finden. Johannisbrotbäume sind genügsam, wachsen auch auf felsigem Boden, der Winterniederschlag ist ausreichend und weder Pflege noch Dünger sind notwendig. Durch seine hohe Resistenz gegen Krankheiten und Schädlinge erübrigt sich auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, also ein Bionahrungmittel par excellence.

Lange Zeit führte er ein Schattendasein. Die erfolgreiche Olive ließ ihn mit ihrem subventionsgepushten Ölboom in Vergessenheit geraten. Viele Johannisbrotbäume wurden gefällt, um an die Subventionen der EU zu kommen. Dabei wurden die Karuben, so heißen die schokoladefarbenen, karamellartig schmeckenden Früchte des immergrünen Baumes, schon seit jeher auf Kreta verwendet. Der Johannisbrotbaum trägt Früchte und Blüten zu gleicher Zeit, so lässt sich beim Ernten schon abschätzen, wie der Ertrag im Folgejahr werden könnte. Sein Holz brennt schlecht, dadurch gewinnt der Baum auch als „Brandmauer“ gegen Waldbrände zunehmend an Bedeutung.


Die Früchte des Johannisbrotbaum sind genau genommen ein Gemüse,
die Pflanze gehört nämlich zur Familie der Hülsenfrüchtler.

Erst mit 15 Jahren trägt er seine ersten Früchte. Die Ernte beginnt Mitte September. Die Schoten werden von Hand von den Bäumen geschlagen oder gepflückt und in Säcke gepackt. Zu dieser Zeit ist es auf Kreta noch sehr heiß, dementsprechend anstrengend ist diese Arbeit.

In Mühlen werden die Schoten zu Granulat gemahlen. Je nach Weiterverwendung gibt es verschiedene Mahlgrade: grob für Futter, mittel für Sirup und fein für die typischen Backwaren. Karuben sind im Winter auch als Kleintierfutter gefragt, Hasen und Kaninchen lieben die nahrhaften, süßlichen Schoten.
Die Samenkörner gelten in manchen Mühlen als Lohn für das Mahlen. Aus ihnen wird das bekannte Verdickungsmittel E410 erzeugt, dass unter anderem in Eis und Joghurt Verwendung findet.
In der Antike wurden diese Körner als Wiegemaß festgelegt, denn egal wie groß die Schote ist, die Samenkörner haben immer das gleiche Gewicht. Karube ist der Namensgeber für das Karat der Schmuckbranche.

Johannisbrotbäume an der kretischen Südküste
Johannisbrotbäume an der kretischen Südküste

Karuben-Sirup wird auf einfache Art gewonnen. Früchte zerkleinern, über Nacht in Wasser einlegen, am nächsten Tag abschöpfen, die gewonnene Flüssigkeit durch kochen eindicken und fertig. Na ja, das Kochen dauert etwa sechs Stunden.
Karuben-Pulver ist ein vollwertiger Ersatz für Kakao. Es wird auch wie Mehl zum Backen verwendet, ist fettarm, glutenfrei, enthält weder Koffein noch Theobromin und hat günstigen Einfluss auf den Cholesterinspiegel. Der Kalziumgehalt entspricht etwa dem von Milch. Weiters enthält es Vitamin A, B und D, Kalium, Phosphor, Magnesium und Eisen. Ideal für Menschen mit Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten. Durch den süßlichen Geschmack kann bei der Zubereitung von Speisen der Zuckeranteil deutlich reduziert werden.

Der kretische Pionier Elias Manousakas, Gründer von „CretaCarob“, spricht vom „verlorenen Schatz Kretas“. Nach seinem Studium in Kanada war er dort lange Jahre in der Nahrungsmittelindustrie tätig, bis er bei einem Urlaub in seiner Heimat das Potential des Johannisbrotbaumes erkannte.
Anfangs noch belächelt, hat er mittlerweile ein gut florierendes Geschäft in Argiroupoli. Er erzeugt aus verschiedenen Karubensorten eine Vielzahl an Produkten, unter anderem Tee, Kaffee, Schokolade, Sirup, Marmelade, Kekse, Brot aber auch kosmetische Produkte.


Der Johannisbrotbaum trägt Früchte und Blüten zu gleicher Zeit, so lässt sich beim Ernten bereits der Ertrag für das Folgejahr einschätzen.
Die Pflanzenteile des Johannisbrotbaumes. Paul Hermann Wilhelm Taubert (1862-1897).

LITERATUR und QUELLEN:
https://cretacarob.com/, Zugriff: 19.12.2019
Illustration: Paul Hermann Wilhelm Taubert (1862-1897)-Leguminosae. in Engelmann (ed.): Natürliche Pflanzenfamilien. Vol. III, 3., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=844863
Fotos: © 2019 Stephan & Freismuth